Umgang mit Ängsten

Bevor wir mit den praktischen Übungen beginnen, möchten wir hier noch einen kleinen theoretischen Input geben, damit Du Deine Empfindungen besser einordnen und verstehen kannst. Das hilft, einen gelasseneren Umgang mit Deinen Gefühlen zu finden.

Jeder Mensch verfügt über eine große Palette verschiedenster Gefühle, u.a. Liebe, Freude, Wut, Trauer, Angst. Gefühle zu empfinden bedeutet, dass wir lebendige, wache, mit dem Leben verbundene Wesen sind. Da sich nicht alle Gefühle nur gut anfühlen, neigen wir dazu, die Gefühle in positive und negative Gefühle einzuteilen. Das ist eigentlich Unsinn, denn jedes Gefühl gibt uns einen wichtigen Hinweis und ist ein Ausdruck davon, wie wir mit uns und der Welt gerade im Kontakt sind. Angst zeigt uns zum Beispiel, dass Gefahr droht und wir uns schützen müssen.

Dieses innere, schnelle Warnsystem sitzt bei uns im Reptiliengehirn, ein Teil unseres Gehirns, das noch aus uralten Zeiten stammt und schon unsere Vorfahrinnen auf Gefahren aufmerksam machte. Damals war dieser Teil des Gehirns überlebenswichtig, da die Menschen vielen Gefahren ausgesetzt waren und bei einer Begegnung mit z.B. einem Säbelzahntiger blitzschnell gehandelt werden musste.
Dieses Warnsystem funktioniert heute noch genau wie vor vielen 100 Jahren. Es ist, wie schon beschrieben, sehr schnell. Viel schneller als unser Großhirn. Wenn Gefahr droht werden alle anderen Empfindungen wie Hunger, Schmerz oder Kälte etc. heruntergefahren und unser System wird hellwach. Es will unser Überleben sichern und bedient sich dafür dreier Strategien: Angriff, Flucht oder Erstarrung. Du kannst Dir das so vorstellen: Wenn Du vielleicht durch einen Wald spazieren gehst und plötzlich ein Rascheln hörst, das Du nicht einordnen kannst, springt das Reptiliengehirn sofort an. Woher kommt das Geräusch? Bedeutet es eine Gefahr für mich? Wenn es sich dann nur um das Rascheln eines Vogels im Gebüsch handelt, beginnt sich unser System wieder zu entspannen. Diese Reflexe sichern unser Überleben bei Gefahr und wir können sehr froh sein, dass wir sie haben.

 

Manchmal aber, wird der Angstanteil in uns unangemessen groß, meldet sich auch in Situationen, die eigentlich sicher sind. Manchmal hat unser inneres Warnsystem verlernt, sich wieder runterzufahren und die Angst wird immer aktiver und größer, obwohl sie sich eigentlich entspannen könnte. Was dann?

Wir neigen dazu, unangenehme Gefühle zu vermeiden und zu verdrängen. Dies ist ein anstrengender und krampfhafter Versuch, Schmerz zu beseitigen, der aber häufig noch mehr Schmerz und Leid verursacht. Dies distanziert uns vom Erleben, also von unserer Lebendigkeit. Längerfristig gesehen tut uns dieser innere Konflikt nicht gut, daher ist es wichtig zu verstehen, dass Angst ein Teil unseres Lebens ist. Lebendigkeit bedeutet alle Gefühle zu fühlen. Das Gute ist, wir können lernen, unseren Gefühle, Gedanken und Erinnerungen mit Akzeptanz, Mitgefühl und Behutsamkeit zu begegnen. Dadurch entsteht ein Raum in uns, in welchem schmerzhafte Gefühle gut aufgefangen werden. Wenn die innere Kraft nicht mehr darauf verwendet werden muss, Gefühle wegzuschieben, können wir uns auch besser auf das konzentrieren, was uns im Leben wichtig ist.

Im Folgenden wollen wir Dir Übungen vorstellen, die Dir helfen können, mit Deiner Angst umzugehen. Gemeint sind hier die eher diffusen Ängste, die sich nicht auf eine konkrete Gefahr beziehen. Diese Ängste sind wichtig, denn sie helfen Dir, Dich selbst und Andere zu beschützen.

Unsere Übungen beziehen sich auf die Ängste, die Dich ohne ersichtlichen Grund plagen, die Dich hindern, Dinge zu tun, die Du eigentlich gern tun möchtest und die Deinen Körper unter ständigen Stress setzen. Wenn Du das Gefühl hast, allein schaffst Du das nicht, dann ist es okay, Dir Hilfe zu holen. Das kann in einer Gruppe sein, durch eine Therapie oder Du kannst auch zu uns in die Frauenberatung kommen.
Es ist auch legitim, wenn Du gerade keine Kraft hast, Dich erst einmal nur mit schönen Dingen zu beschäftigen (siehe dazu auch das PDF-Selbstzuwendung).

Es braucht manchmal viel Mut, sich seiner Angst zu nähern, sie zu untersuchen und sich mit ihr auseinander zu setzen. Wenn Du es für Dich versuchen möchtest, noch eine Bitte: Sei sanft mit Dir und hab Geduld!

Übungspraxis gegen die Angst

Was Du bei Aufregung und Nervosität machen kannst:
Oftmals belasten uns Gedanken des Versagens, so dass wir nicht mehr in unserer vollen Kraft sind. Da wir nicht in der Lage sind, zu viele Dinge auf einmal zu machen, ist es gut, dass innere Gedankenkarussell zu stoppen. Dafür kannst Du aufstehen, mit dem Fuß in den Boden stampfen und zu Dir selbst sagen:
STOP! Sei bewusst!
Tief durchatmen und dann kannst Du Deine Gedanken umlenken, indem Du z.B. 10 rote Dinge in deiner Umgebung benennst oder das Wort „Gedankenkarussell“ von hinten buchstabierst oder ganz schnell Tiere findest, mit dem jeweiligen Anfangsbuchstaben aus dem Alphabet (Affe, Bär, Chamäleon, Drossel…) Durch die Konzentration auf neue Aufgaben und Deine Umgebung lenkst Du Deinen Geist ab und befreist ihn von den destruktiven, verhindernden Gedanken und Gefühlen.


Die 4-7-8 Atemübung gegen Nervosität


Nervosität erhöht die Atemfrequenz. Wenn Du Deinen Atem beruhigst, kannst Du dadurch auch Deine Nervosität lindern. Manchmal hilft es schon, mehrmals tief und bewusst durchzuatmen.

Wenn das nicht wirkt, hilft Dir die 4-7-8 Atemtechnik weiter:
Atme durch die Nase ein und zähle dabei bis 4. Dann halte kurz den Atem an und zähle bis 7, dann atme durch den Mund aus und zähle bis 8. Lege dabei die Zungenspitze hinter die oberen Schneidezähne an den Gaumen, so dass die Luft rechts und links von der Zunge mit einem leichten Rauschen entweicht. Du kannst die Lippen dabei ruhig etwas spitzen. Die gesamte Übung solltest Du mindestens viermal wiederholen.


Wenn der Körper zittert


Angst geht oft mit körperlichem Zittern einher. Das ist zwar unangenehm, aber der Körper versucht, sich damit selbst zu helfen. Angst erzeugt im Körper viel Stress und Anspannung. Durch das Zittern versucht der Körper Spannung abzubauen und die Angst zu verarbeiten. Das ist gesund und wichtig! Deshalb ist es gut, Deinem Körper zu erlauben, dass er zittern darf. Wenn Du die Möglichkeit hast, kannst Du Dich auch auf den Boden legen, Deine Beine hoch gegen eine Wand lehnen und sie auszittern lassen. Kämpfe nicht gegen das Zittern an, lass es geschehen. Dein Körper versucht sich selbst zu helfen. Tue Deinem Körper hinterher etwas Gutes. Nimm zum Beispiel ein Bad, spüre die Sonne auf der Haut, bereite Dir einen leckeren Tee und / oder kuschle Dich in eine Decke mit einer Wärmflasche.


Die Angst erforschen


Bevor Du die nächste Übung durchführst, noch ein paar Worte zu Deiner Angst. Wir gehen davon aus, dass alle unsere Gefühlsanteile uns etwas Gutes tun und uns helfen wollen. Eigentlich! Nicht immer fühlt sich das so an und oft verhindert die Angst auch neue Schritte in Deinem Leben.
Die Angst betritt Deine innere Bühne, sobald sie Gefahr wittert. Sie möchte Dich warnen und Dich beschützen. Manchmal ist sie aufgrund von persönlichen Erlebnissen und Ereignissen zu einem früheren Zeitpunkt auch heute noch sehr aktiv, obwohl Du heute schon ganz andere Lösungsstrategien entwickelt hast. Irgendwie hat die Angst das noch nicht mitbekommen und arbeitet unermüdlich weiter. Das kann sehr belastend sein. Dann kann es guttun, mit Deiner Angst in Kontakt zu kommen und sie liebevoll auf ihren Platz zu weisen. Denn mit Gefühlen ist es wie mit aufgeregten Kindern, wenn sie nicht beachtet werden, machen sie solange Krach, bis ihnen zugehört wird.


Angst im Körper wahrnehmen


Wenn Du Angst empfindest, spüre in Deinen Körper hinein und nimm wahr, wo in Deinem Körper die Angst sitzt. Erlaube der Angst da zu sein, nimm sie einfach wahr. Kämpfe nicht gegen sie an. Wo kannst Du sie spüren? Im Bauch oder vielleicht im Brustraum? Ist sie diffus oder übt die Angst ganz viel Druck in Dir aus? Wenn sie eine Farbe hätte, welche Farbe wäre das? Oder hat sie vielleicht eine ganz bestimmte Form? Vielleicht kannst Du der Angst einen Namen geben? Wenn die Angst sprechen könnte, was würde sie sagen? Wovor möchte sie Dich beschützen?

Denke zwischendurch immer wieder daran: Die Angst ist ein Gefühl. Du bist nicht die Angst!

Lausche Deiner Angst. Was möchte sie Dir mitteilen. Wenn es genug für Dich ist, bedanke Dich bei Deiner Angst, dass sie für Dich da ist. Gib ihr zu verstehen, dass Du sie gehört hast und sie sich jetzt ausruhen kann. Du wirst und kannst gut auf Dich aufpassen. Sie muss auch gar nicht ganz weggehen, aber sie darf nicht die Alleinherrschaft übernehmen. Vielleicht kann sie sich in Deinen Zeh verziehen oder in Deinen Daumen oder… schau, worauf sie sich einlässt.

Wenn Du so weit gekommen bist, kann es vielleicht hilfreich sein Deine Erkenntnisse aufzuschreiben oder die Angst zu malen. Einen Ausdruck zu finden heißt auch, die Angst nach außen zu bringen, sie sichtbar zu machen und sie aus dem inneren Schattenreich zu locken. Schüttele Dich zum Schluss der Übung ruhig einmal ordentlich aus oder springe mehrmals in die Luft und lasse alles raus. Vielleicht machst Du dazu eine Power-Musik an und bewegst Dich wild und gefährlich. Braucht ja niemand zu sehen. 😉

 

Hier ist unsere Audiodatei für Deinen Umgang mit der Angst. Klicke auf den Button, und höre Dir auf Soundcloud an, was wir Dir erzählen.